– Pressemitteilung zu den ersten Maßnahmen der Stadt als Reaktion auf die Gewalttaten am 20.6.2020 –
Fokus der Maßnahmen muss auf einem guten Miteinander aller Menschen liegen
Die Jusos Stuttgart sind enttäuscht von den ersten Maßnahmen, die Stadt und Land im Rahmen ihrer Sicherheitspartnerschaft als Reaktion auf die Gewalttaten am 20.6.2020 präsentiert haben.
Das Sprecher*innenduo der Jusos, Anne-Marie Berg und Johannes Mitscherling, sagt dazu: „Der Schwerpunkt im vom OB Kuhn und Innenminister Strobel vorgeschlagenen Zehn-Punkte-Programm „Stuttgart sicher erleben“ ist aus unserer Sicht komplett falsch gesetzt. Acht der zehn Maßnahmen sind im Kern polizeiliche Maßnahmen, die greifen, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Nur zwei Maßnahmen setzen viel früher an.“
Hinzu kommt nun die Debatte über eine von der Polizei geplante Recherche des sogenannten Migrationshintergrundes der Verdächtigen unter Zuhilfenahme der Standesämter. Für die Jusos Stuttgart ist es nicht relevant, ob der Begriff „Stammbaumforschung“ nun in der Gemeinderatssitzung so gefallen ist oder nicht. Der eigentliche Vorgang ist mittlerweile durch ein Protokoll bestätigt und lässt zumindest strukturellen Rassismus vermuten. Die Nachverfolgung einer möglichen familiären Migrationsgeschichte aus politischem Interesse, das beispielsweise Ministerpräsident Kretschmann öffentlich äußerte, sei eindeutig keine polizeiliche Ermittlungsaufgabe. Um dem öffentlichen Interesse gerecht zu werden und restlos aufzuklären, was genau in der vergangenen Gemeinderatssitzung von Polizeipräsident Lutz gesagt wurde, fordert die Jugendorganisation neben dem Protokoll auch eine Veröffentlichung der Tonaufnahmen der Sitzung.
„Die Aufarbeitung der sozialen Ursachen für die Geschehnisse sollte bei der Arbeitsgruppe aus Verwaltung und Jugendhilfe der Stadt Stuttgart angesiedelt sein. Nur dort können gleichzeitig auch nachhaltige Lösungen für ein friedliches Miteinander in unserer Stadt erarbeitet werden. Dies ist nicht die Aufgabe der Polizei.“, hebt Mitscherling hervor. Es bestehe die Gefahr, dass tieferliegende Gründe einfach weiter ignoriert werden. Eine umfassende Analyse der sozialen Hintergründe hatten die Jusos gemeinsam mit der Grünen Jugend Stuttgart bereits in ihrer Pressemitteilung vom 25. Juni gefordert.
Gerade mit den beiden Punkten Videoüberwachung und pauschales Alkoholverbot, bei denen es scheinbar nur noch die Frage ist, wann und wo sie kommen werden, sind die Jusos überhaupt nicht einverstanden. “Wir hören von Streetworker*innen und aus der Jugendarbeit, dass pauschale Härte alleine nicht funktioniert. Wir müssen uns mit den Menschen beschäftigen, die aktuell keinen Platz für sich in der Stadt sehen, aber ein akzeptierter und friedlicher Teil der Stadt sein möchten. ‘Bleib zuhause’ ist schnell gesagt, aber was ist mit denen die weder Geld noch ein eigenes Zimmer haben?”, fragt sich Berg.
Vielmehr seien nun Maßnahmen notwendig, die auf ein gutes Miteinander aller Menschen in Stuttgart hinarbeiten. Aus Sicht der Jusos sind diese der einzig nachhaltige Weg, auch wenn sie mit Sicherheit wesentlich aufwendiger, langfristiger und mühsamer erscheinen. Langfristig könnten nicht alle Probleme, welche durch die Gesellschaft nicht gelöst würden, einfach auf die Polizei abgewälzt werden. In den letzten Jahren sei in diesem Bereich viel zu wenig – gerade von der Stadtspitze unter der Führung von OB Kuhn – passiert. Gelder für Projekte seien gestrichen worden und der OB suche nun Fehler in der Integrationspolitik, die er selbst von der Chefsache zur Aufgabe des Sozialreferats degradiert habe. “Wir begrüßen, dass sich endlich die verschiedenen Verantwortlichen wieder an einen Tisch setzen und das Problem gemeinsam lösen möchten. Aber da muss gerade von der Führung ein klares Bekenntnis zur Prävention kommen. Der Fokus der aktuellen Maßnahmen, der auf Repression liegt, zeigt dies leider überhaupt nicht”, fassen die beiden Sprecher*innen Berg und Mitscherling zusammen.
Pressekontakt:
Jusos Stuttgart
Vorstand@jusos-stuttgart.de
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